Um den Sulfner ranken sich so manche Sagen, Legenden und Erzählungen. Geschichten von Riesen, Statuen, schönen Wirtstöchtern und goldigen Pferden werden von Generation zu Generation weitergegeben.
Hausherr Peter ist ein wahrer Kenner aller Geschichten, die um den Sulfner und den Tschögglberg kreisen, und entführt seine Gäste gerne in diese magische Welt mit ihren fantastischen Vertretern.
Ein paar seiner Geschichten hat er schon aus seinem Geschichtenkistl hervorgezaubert...
Teil 1
Vor langer, langer Zeit – es war Anfang Herbst – da hütete der wackere Hirte Franz die Schafe seines Bauern auf den idyllischen Almen des Ifingers. Die anderen Hirtenkumpanen waren mit ihren Tieren schon ins Tal aufgebrochen, nur der Franz hielt noch die Stellung, da sein Herr ihm befohlen hatte, bis zum ersten Schnee auf der Alm zu bleiben. Gesagt, getan – also „harrte“ der Arme noch alleine mit seinen Schützlingen am Berg aus. „Arm“ deswegen, weil es nun in der Nacht schon ziemlich kalt werden konnte und das war dem Franz gar nicht recht. Aber was sollte er denn machen, der Wille seines Herrn war Befehl.
So saß der Franz eines Nachts wieder mal zusammen mit seinem Hirtenhund Rudi am Lagerfeuer beim Abendbrot – etwas Suppe und hartes Brot – als es ihm wahrlich zum Frösteln kam. Nicht nur der Geruch von seiner kläglichen Suppe, sondern auch der von Schnee lag in der Luft. „Na siehst du Rudi,“ sagte er zu seinem treuen Begleiter „mit etwas Glück können wir morgen wieder nach Hause gehen“, und legte sich zum Schlafen. Mit dem nächsten Morgen kam freilich der Schnee, aber mit ihm eine weitere Überraschung ...
Unser Hirte wachte eingebettet in einer traumhaften Schneelandschaft auf. Mit seinem Hund machte er sich auf die Suche nach den Schafen. Zwar waren die weißen Wollknäuel im Schnee schwer ausfindig zu machen, aber Rudi konnte die Schützlinge schnell unter einer großen Tanne entdecken. Der wackere Franz zählte daraufhin seine „Lämmchen“ und war zufrieden – keines war verloren gegangen. Na dann, ab nach Hause!
Munter marschierte die Truppe durch den Schnee: Der Hirte, sein treuer Hund und die frommen Schäflein. Franz genoss den herrlichen Wintertag, die Sonne wärmte sein Gesicht und auf seinem Weg zurück nach Hafling eröffnete sich ein traumhaftes Gipfelpanorama. So schritt er weiter, beflügelt vom Wetter, der Aussicht und dem Gedanken an einen großen Teller Specksuppe in der warmen Bauernstube, die er sich, seiner Meinung nach, reichlich verdient hatte. Doch da riss ihn plötzlich ein gleißender Lichtstrahl aus seinen Tagtraum. Verärgert blickte er um sich und konnte den Übeltäter sogleich ausmachen: Ganz in der Nähe lag ein ungewöhnlicher Gegenstand, der so aufdringlich im Schnee schimmerte. „Na warte, du“, dachte sich unser Hirte und marschierte eifrigen Schrittes dem „Ding“ entgegen. Als er vor dem seltsamen Gegenstand stand, verschlug es ihm sofort die Sprache ...
Was ihn aus der Ferne so geblendet hatte, war eine vergoldete Heiligenstatue! „Na so was“, dachte sich der Franz „dich kann ich hier nicht einfach liegen lassen, das würde mir der gute Gott gewiss übel nehmen“ und band sich die Statue mit einem Seil auf den Rücken. Zwar war diese, da aus Holz, alles andere als leicht, doch war der Franz ein zäher Bursche und erreichte mit seinen Tieren noch vor Sonnenuntergang den Hof des Herrn...
Teil 2
Dieser kam ihm entgegen und wusste auch schon sofort, was es mit der Heiligenstatue auf sich hatte. Es war die Statue des Heiligen Oswald, Patron der Bürger von Schenna, die seit einigen Tagen abhanden gekommen war und sogleich fiel dem Bauern auch noch etwas auf ...
Zornig wandte sich der Bauer an Franz: „Du Rindvieh! Kannst du nicht zählen? Eines der Schafe fehlt!“ Wie vom Blitz getroffen zählte unser Hirte noch mal nach und stellte fest, dass tatsächlich ein Schaf fehlte. „Du wirst mir dieses Schaf bringen, sonst kannst du was erleben! Und die Statue lasse ich sofort nach Schenna bringen, sonst heißt es noch, ich habe sie gestohlen. Ein schöner Hirte bist du!“, schimpfte der Bauer. Den Erklärungsversuchen schenkte er keine Beachtung und scheuchte den armen Hirten zurück in die Kälte.
Teil 3
Im Morgengrauen erreichte Franz die Alm am Ifinger, die er am Vortag erst verlassen hatte. Doch von dem fehlenden Schaf fehlte jede Spur. Verzweifelt blickte er umher, doch weit und breit sah er nur Schnee und Wälder. Hoffnungsvoll schickte er ein Stoßgebet gen Himmel, der Herrgott möge ihm doch den Weg zum verlorenen Schaf weisen. Als hätte ihn der Herr erhört, lief Rudi plötzlich laut bellend davon. Franz nahm seine Beine in die Hand und lief seinem treuen Begleiter nach. Auf einem kleinen Hügel, der ihm sehr bekannt vorkam, holte er den Hund ein. Dieser hatte ihn nun nicht nur zum fehlenden Schaf, sondern wiederum – man glaubt es kaum – zur Statue des Heiligen Oswald geführt. „Na so was, schon wieder du!“, sagte der Franz und beschloss, die Statue wieder ins Tal zu bringen. Er wollte ja nicht, dass der Bauer seinetwegen Ärger bekam ...
Entschlossenen Schrittes machte sich der Hirte mit Hund, Schaf und Heiligenstatue im Schlepptau zurück zum Hof. Über das herrliche Winterwetter konnte er sich wahrlich nicht beklagen: er hatte einen wunderbaren Blick zurück auf das Tal. Plötzlich hörte er ein tiefes Grummeln, gefolgt von einem, so schien es ihm, RIESIGEN Hammer, der von der einen Bergseite auf die andere durch die Luft flog. „Ja was ist denn da los? Spinne ich jetzt?!“, er rieb sich die Augen und schaute noch mal hin. Doch der Hammer war verschwunden. Was das wohl zu bedeuten hatte?
Am Hofe wurde er wiederum vom verärgerten Bauer empfangen: „Was soll das denn nun wieder? Willst du mich etwa ruinieren?!“. In Schenna war nämlich die Hölle los: Ohne ihren Schutzpatron trauten sich die Bürger kaum noch aus dem Haus – es wurde nur mehr gebetet und gefastet, um Schlimmeres zu vermeiden. Als der Franz dem Bauern jedoch berichtete, dass er das verlorene Schaf genau bei der Oswald-Statue gefunden hatte, fiel es diesem wie Schuppen aus dem Haar: „Gütiger Gott, das ist ein Zeichen des Himmels! Der Herr will, dass wir dem Heiligen Oswald eine Kirche am Ifinger bauen.“
Und so wies der Bauer den Bau des berühmten St. Oswald Kirchleins an, das man heute beim Skifahren auf Meran 2000 bewundern kann.
Teil 1
Vor langer, vielleicht sogar nicht allzu langer Zeit lebte am Tschögglberg, am Hofe des Sulfner's ein junges, schönes Mädchen, das bei seinem Vater, dem Sulfnerwirt, im Gasthaus tüchtig mithalf. Der Sulfner war damals das einzige Wirtshaus in Hafling und alle Reisenden, die auf dem Tschögglberg oder umgekehrt ins Tal wollten, kamen auf ihrem Weg am Sulfner vorbei, da der einzige mit Tragtier oder zu Fuß begehbare Weg dort entlang führte.
So kam auch eines sonnigen Tages im winterlichen Frühjahr ein adretter Kaufmannssohn aus Meran den Weg herauf, um mit den Schafwolllieferanten seines Vaters die neuen Preise zu verhandeln. Dies sollte sein erster großer Auftrag sein und daher wollte der Meraner Jüngling unbedingt ein gutes Geschäft abschließen. Um seine Aufregung in Zaum zu halten, atmete er beim Aufstieg die frische Luft ein und versuchte, das eindrucksvolle Panorama zu genießen. In seinem Elan wäre er doch beinahe über den Stein gestolpert - doch unser Held fand sofort sein Gleichgewicht wieder und ging mutigen Schrittes weiter. Als er endlich beim Sulfner ankam, beschloss er, sich noch schnell ein Glas Wein zu gönnen, um seine Nerven zu beruhigen. Gesagt, getan. Er betrat die Wirtsstube und setzte sich an einen freien Tisch im Eck. Neugierig blickte er sich um, wollte sehen, wen man wohl im Wirtshaus begegnen konnte und dachte sich nichts weiteres. Doch dann erstarrte der sonst so kühne Kaufmannssohn ganz plötzlich...
Teil 2
Was ihm so die Sprache verschlagen hatte, war der Anblick der schönen Wirtstochter. Noch nie hatte er ein so schönes Mädchen gesehen, da war er sich sicher. Zu seinem Glück wurde er auch noch von ihr bedient! Mit Ach und Krach schaffte er, sein Glas Wein zu bestellen, war er doch von dieser himmlischen Erscheinung hin und weg. Er versuchte, die junge Dame in ein Gespräch zu verwickeln, doch diese zeigte ihm nur die kalte Schulter. Dies entfachte den Ehrgeiz des Kaufmannssohnes umso mehr und er nahm sich ganz fest vor, bei seinem Rückweg ins Tal nochmals beim Sulfner vorbeizuschauen...
So kehrte er wieder im Sulfner ein und versuchte, die anscheinend nur ihm gegenüber kühle Wirtstochter zu erobern. Er schmeichelte ihr, überhäufte sie mit Komplimenten, lud sie auf einen Spaziergang ein, doch die fesche Magd willigte nie ein. So wusste der ehrgeizige Kaufmannssohn, dass er sich beim nächsten Mal etwas besseres einfallen lassen musste und kam nach langen Grübeln auf eine Idee. Für seinen nächsten Besuch am Berg hatte er sich was ganz Besonderes ausgedacht...
Teil 3
Schon am darauffolgenden Tag stieg er wieder den Tschögglberg hoch und lieh sich beim Wirt, der auch ein passionierter Pferdezüchter war, ein Pferdegespann aus, um seine Angebetete mit einer Kutschenfahrt zu beeindrucken. Denn er hatte sich am Tage zuvor im Wirtshaus umgehört und mitgekriegt, dass auch die Wirtstochter eine große Leidenschaft für Pferde hegte. Also führte er die Wirtstochter aus der Stube vor die Tür. Als diese die Kutsche erblickte, konnte sie ihre Freude nicht verbergen. Noch nie hatte sich jemand die Mühe gemacht, sie zu einer Kutschenfahrt einzuladen.
So bemühte sich der Kaufmannssohn immer sehr, seine Angebetete zu erobern und ihr zu imponieren. Tag um Tag kam er von Meran hoch und wollte keine Minute ohne seine Liebste sein. Er lud sie in der warmen Märzensonne zu Rodelpartien ein, wanderte mit ihr zum Sulfner See, zu den Stoanernen Mandln und und und, da die schöne Wirtstochter die Natur liebte und so viel Zeit wie möglich im Freien verbrachte. Von ihrem Vater erfuhr er, dass sie besonders gerne am Kratzberger See war. Dies wissend, lud er sie zu einer romantischen Wanderung zu ebendiesem See ein und überraschte sie dort mit einem Picknick. Die beiden genossen die Zweisamkeit und die Wirtstochter verriet ihrem Verehrer jene Geschichte, die sie sich als kleines Mädchen zu dem Kratzberger See ausgedacht hatte: In ihrer kindlichen Vorstellung hatte sich nämlich ein RIESE in den Berg gesetzt und somit entstand eine Mulde, in dem sich das Wasser von einem Gebirgsbach sammelte. Der Stadtjunge lauschte ganz aufmerksam ihren Erzählungen und spürte, wie seine Gefühle zu ihr immer intensiver wurden. Kurzerhand fasste er einen Entschluss...
Teil 4
Als die Wirtstochter die Geschichte vom Kratzberger See zu Ende erzählt hatte, ergriff der Kaufmannssohn zitternd ihre Hände und gestand ihr seine unendliche Liebe. Noch nie hatte er so für jemanden empfunden; sie war das fabelhafteste Wesen, das er je kennengelernt hatte und er wollte sie ganz für sich alleine haben. Also sah er ihr tief in die Augen und bat sie, seine Frau zu werden. Der schönen Wirtstochter verschlug es die Sprache, denn auch sie hatte sich Hals über Kopf in den hübschen Städter verliebt und konnte ihr Glück kaum fassen. Ohne zu zögern schenkte sie ihm an diesem Tag ihr Ja - und ihr Herz.
Die Verlobung der beiden sprach sich natürlich auf dem gesamten Tschöggelberg herum und sorgte für Furore: Denn es sollte das erste Mal sein, dass ein reicher Städter eine Wirtstochter - wenn auch nicht arm - vom Berge heiratete. Dem ganzen Gerede und Neid zum Trotz bewahrte sich die Wirtstochter ihre unendliche Freude und wusste schon ganz genau: Sie wollte im Kathreinkirchlein, das sich nur wenige Schritte vor dem Wirtshaus ihres Vaters befand, ihren Kaufmannssohn zum Mann nehmen. Am liebsten so schnell wie möglich! Und das dürfte ja kein Problem sein, denn wenn die Liebe groß ist, ist kein Hindernis unüberwindbar - so dachte sie.
Teil 5
Die Tage verstrichen, die Wirtstochter war besonders glücklich und gut gelaunt bei der Arbeit und freute sich auf das Wiedersehen mit ihrem Zukünftigen. Dieser stieg wie vorher so oft es ging den Berg hinauf, um seine Geliebte zu sehen. Ihr Glück schien perfekt zu sein... Doch mit einem Mal nahmen die Besuche des Kaufmannssohnes ab - immer weniger bekam die Wirtstochter ihren Angebeteten zu Gesicht, bis er schließlich gar nicht mehr kam. Sie erkundigte sich bei Durchreisenden nach ihm, schrieb ihm Briefe, überlegte sogar, in die Stadt hinabzuwandern. Sie ging ihrer Arbeit im Wirtshaus nach, doch hatte sie keine Freude mehr dabei, zumal auch die Gäste sie mit argwöhnischen Augen betrachteten und hinter ihrem Rücken tuschelten. Sie konnte sich nicht erklären, was passiert war, bis sie eines Tages zufällig ein Gespräch mithörte und erfuhr, dass ihr Zukünftiger, der ihr am Kratzberger See seine ewige Liebe geschworen hatte, in der Kurstadt Meran eine neue Liebe fand.
Diese Nachricht brach der schönen Wirtstochter wahrlich das Herz. Sie lebte die Tage dahin, doch konnte sie ihre Lebensfreude nicht wiederfinden. Ständig dachte sie an das Glück, das ihr verwehrt wurde. Aus Kummer und vielleicht auch aus Zorn verweigerte sie das Essen und siechte dahin, wie eine verwelkende Blume und starb schließlich an ihrem gebrochenen Herzen. Zwar verließ ihr Geist ihren schönen Körper, doch nicht den Tschögglberg. Manchmal bringt sie ihre Trauer und ihren Zorn zum Ausdruck und dann kreisen dunke Wolken um den Ifinger, ein dunkles Grollen - an Riesengebrüll erinnernd - erklingt und Gewitter gehen über die Kurstadt nieder, um den untreuen Kaufmannssohn zu bestrafen, der vor langer Zeit ein schönes Mädchen todunglücklich machte.